Vor vielen Jahren ließ ich mir mein erstes Tattoo stechen. Ein kleiner Schmetterling auf dem linken Oberarm. Mittlerweile krallt sich am rechten Arm ein großer Drache fest. Weil nun der Schmetterling etwas einsam und verloren ist, soll er demnächst noch eine Rose bekommen, an der er sich erfreuen kann. Fast alle Menschen die ich kenne sind tätowiert, jeder hat persönliche Gründe dafür Und doch sind einige Dinge essenziell. Abgesehen von den Menschen die es machen um den Schmerz zu ertragen.
Ich habe meine eigen Vorstellung zu dem Warum.
Obwohl alle Menschen unterschiedlich aussehen leben wir in einer gewissen Uniformität der wir uns unterwerfen. Teilweise freiwillig, wenn ich mich auf Rockkonzerten umsehe, dann sehe ich schwarz und lange Haare. Natürlich dient dies dazu, um die Zugehörigkeit zu einer Gruppe zu zeigen. Verkäufer im Elektronikmarkt erkennt man ebenfalls sofort an ihrer Kleidung. Im Schwimmbad hat ein Mann eher selten einen Badeanzug, nein, er trägt in der Regel Badehose. Heutzutage tragen privat fast alle Jeans, der Banker einen Anzug und der Mechaniker einen Blaumann.
Polizisten erkennt man mit einem Blick, hier macht eine Uniform sehr wohl Sinn. Der Verbrecher läßt ab wenn er die Uniform sieht, wer Hilfe braucht erkennt an wen er sich wenden kann. Soldaten tragen Uniform das man Freund von Feind unterscheiden kann. Kein Soldat will auf die eigenen Leute schießen.
Ein Tattoo gibt uns die Möglichkeit etwas individueller zu werden. Kleidung kann man wechseln, Frisuren wechselt man öfters mal und Schmuck legt man an und ab. Ein Tattoo aber bleibt. Wohl überlegt über das Motiv und die Stelle ist es etwas für die Ewigkeit. Zumindest bis zum ableben und noch ein Stück weiter. Allein schon die Gründe des Warum und Wieso ist eine Entscheidung, die individueller nicht sein kann. In der Regel ist die Entfernung ein sehr schwieriges Unterfangen, oft bleiben Narben zurück, die in dieser Form niemand anderes hat.
Wenn man nicht gerade sturz betrunken oder im Liebestaumel geistig umnachtet ist, dann läßt man sich für sich selber tätowieren. Man sollte keine Namen von Partnern stechen lassen. Es gibt genug Frauen die einen Kevin suchen, oder Männer auf der Jagd nach Jasmin, weil der Name ein Stück Haut verziert. Kinder sind dabei eine Ausnahme, denn die liebt man normalerweise immer. Partnerschaften gehen heutzutage schneller in die Brüche als Porzelan wenn der Elefant den Laden betritt.
Einige hatten einschneidende Erlebnisse, so zwei Bekannte von mir. Dem Tod gerade so von der Schippe gesprungen tragen sie nun einen Spruch auf dem Unterarm, der sie daran erinnert wie kurz das Leben sein kein und das man immer nach vorne schauen soll. Egal wie, es geht weiter. Persönlicher geht es fast nicht mehr.
Jede einzelne Tätowierung ist ein Kunstwerk. Der Tätowierer ist der Künstler, der Kunde die Leinwand. Jeder einzelne Stich ist selbst bei gleichem Motiv bei einem anderen Menschen immer etwas anders. Jedes Tattoo wird somit zum absoluten Einzelstück, der Träger zu einem einzigartigen Kunstwerk. Andy Warhol hat seine Werke teilweise einfach nur kopiert, alle waren somit gleich, ohne Unterschied. Bei einem Tattoo wird der Träger zu einem Kunstwerk, das es sonst nirgends gibt.
Läuft man über eine Wiese, dann gibt es Blumen die etwas heraus stechen. Diese Farbtupfer lockern das Bild etwas auf, ohne wäre es langweilig. Tätowierte Menschen sind die Farbtupfer in der Wiese der Gesellschaft, ohne sie wären wir ein Einheitsbrei. So etwas ist öde, daher brauchen wir Menschen mit Farbe auf der Haut.
Ich finde jeder sollte ein Tattoo tragen und zu einer Blume der Kunst werden, die Welt wäre etwas schöner.
Mein kleiner Drache „Calius Amator“
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