In meinem Beitrag „Modellfliegen F wie Fluglage“ wurde vielleicht dem einen oder anderen etwas klarer, warum man immer über gewisse Zustände des Modellflugzeugs informiert sein muss. Ansonsten ruft die berühmte Werkstatt. Nun ist nicht jeder Pilot ein absolutes Ass und auch so mancher Anfänger müht sich doch sehr stark mit den Korrekturen beim fliegen. Sei es eine Windbö, oder einfach nur dahin gestelltes Unvermögen, ständig ist man am korrigieren, knüppeln und rudern. Nun möchte das nicht jeder selbst machen, aber woher einen Helfer nehmen und nicht stehlen? Guter Rat scheint teuer, doch halt! Es gibt eine Lösung und die nennt sich Gyro.
Man kennt das Prinzip, bringt man einen Kreisel in Drehung, so versucht er immer seine Achse aus zu richten. Manche kennen das noch aus dem Physikunterricht, wenn der Lehrer ein altes Rad von seinem Trekkingbike mit bringt und es jeder mal halten darf. Auch der merkwürdige Koffer bei manchen Shows funktioniert nach diesem Prinzip. In der manntragenden Luftfahrt kennen wir das als Kreiselkompass. Leider sind die Kreisel relativ schwer, denn es benötigt eine gewisse Schwungmasse, damit das vernünftig wird. Und wie immer, Gewicht ist für den Modellbau Gift.
Im Modellbau benutzt man Kreisel, die ihre Lageänderung über Piezo-Elemente feststellen können. Eine Steuerelektronik regelt den Rest. Anfangs wurden Gyros nur bei Hubschraubern eingesetzt. Diese benötigen zur Stabilisierung sogenannte Paddel. Diese sind zwar sehr nützlich, sehen aber scheiße nicht schön aus. Bei den Helis haben sich Paddellose, Fachfüchse nennen das dann Flybarless, mitlerweile durchgesetzt. Aber was bei einem Heli gut ist, kann doch auch bei Flugzeugen nicht schlecht sein. So wurden Systeme entwickelt, um auch den Flächenmodellen Komfort zu ermöglichen.
Das Prinzip ist relativ simpel,die Durchführung aber hinreichend kompliziert. Aber zumindest das Prinzip kann man an einem kleinen Beispiel veranschaulichen. Der Empfänger erhält den Befehl geradeaus. Durch äusere Einflüße, z.B. eine Windbö, driftet das Flugzeug nach links ab. Der Kreisel ist in die Steuerkette dazwischen geschaltet, bemerkt dies und gibt nun dem Servo im Seitenruder den Befehl Seitenruder rechts. Schon ist der Flieger wieder auf sein Bahn und der Pilot hat das vielleicht sogar gar nicht bemerkt.
Nun ist bedingt durch die Herstellung jeder Gyro gleich, aber ob er in einer kleinen Corsair mit 600mm Spannweite verbaut ist, oder in einem 5500mm Segler weiss er nicht. Die Corsair ist giftig und braucht mehr Korrekturen, der Segler von Haus aus gutmütig und würde das eigentlich überhaupt nicht brauchen. Die Lösung ist hier die Empfindlichkeit. Normalerweise kann man über einen Poti einstellen, wie empfindlich das System reagiert. Das allerdings muß man mühevoll erfliegen, schnell reagiert ein Gyro zu stark, dann übersteuert er, regelt wieder zu stark zurück und am Ende schaukelt sich das Ganze dann so auf, das die Werkstatt ruft.
Um dies zu vermeiden kann man während des Fluges den Gyro ein- und ausschalten. Dabei gibt es einige Möglichkeiten, nicht jeder Kreisel macht dabei alles.
- Aus, das Flugzeug verhält sich wie gewohnt, alles muss der Pilot selbst machen.
- Ein, Störungen werden ausgeglichen und das Flugzeug fliegt stabil wie auf Schienen.
- Heading Hold, der gesteuerte Zustand wird so lange beibehalten, bis die Gegenrichtung angesteuert wird, z. B. eine Schräglage, obwohl die Knüppel neutral sind.
- Begrenzt, die Fluglage erfolgt nur bis zu bestimmten Winkeln, so das keine extremen Lagen möglich sind, gedacht vor allem für Anfänger.
An sich ist das eine gute Sache, man muss sich nicht mehr um alles kümmern. Aber an dieser Stelle möchte ich Robin Trumpp (mehrfacher deutscher Meister in F3A) zitieren. Ich traf ihn an einem arschkalten, sauwindigen Tag, an dem er fliegen musste, es war Messe. Ich meinte dann zu ihm, bei dem Wind würde es auch keinen Spaß machen und seine Antwort war: „Den Wind kann ich weg knüppeln, aber die Kälte hält man fast nicht aus.“ Recht hat er. Wenn alle Stricke reissen, dann muss man sein Modell zumindest so weit beherrschen, das man es heil herunter bringt. Ist man die ständige Unterstützung durch einen Gyro gewohnt, dann hält man seinen neuen Shock-Flyer keine 2 Sekunden in der Luft. Die maximalen Ruderausschläge haben schon gestandene Männer ins Höschen machen lassen.
Der Gyro an sich reagiert über alle drei Achsen. Allerdings gibt es Modelle, bei denen wünscht man sich, daß nur eine Achse überwacht und geregelt wird. Die restlichen 2 Achsen liegen somit brach und man bezahlt für eine nicht genutzte Leistung. Daher gibt es mittlerweile auch Systeme, die nur eine einzelne Achse regeln und sind auch etwas billiger. So kann das Seitenruder unterstützt werden und den Rest darf man selber machen.
Aber egal welcher Hersteller gewählt und welche Empfindlichkeit eingestellt ist, eines ist bei allen gleich: Die Initialisierung. Nach dem Einschalten des Modells muss es waagerecht liegen und darf für ein paar Sekunden nicht bewegt werden. Dabei merkt sich der Gyro die Lage als „Normallage„. Wenn man das falsch macht, dann wird natürlich auch eine falsche Information gespeichert und an fliegen ist nicht zu denken. Dann denkt man eher, ob es sich noch lohnt aus den Trümmern wieder ein Modell zu basteln. Dabei muss aber sichergestellt sein, das der Gyro in einer bestimmten Lage eingebaut ist, meistens parallel zur Längsachse des Modells.
Für Anfänger ist es es sicherlich eine gute Sache mit der helfenden Hand eines Gyros zu fliegen, aber spätestens wenn man etwas mehr will, dann kann er sogar störend sein. Und im Wettbewerb ist ein Gyro sowieso verboten, das wäre ja Modelldoping. Und wenigstens mein Sport soll sauber bleiben.
3-Achsgyro der Fa. Multiplex